Wenn Knappheit nach hinten losgeht: Wie unrealistische Mengenangaben das Vertrauen in Onlinehändler untergraben

Der Onlinehandel setzt oft auf künstliche Verknappung, um Kaufdruck zu erzeugen. Eine neue Studie zeigt jedoch: Fallen die angegebenen Mengen zu niedrig aus, kippt der Effekt. Statt Dringlichkeit entsteht Misstrauen. Der Beitrag erklärt, warum das so ist und was Konsumenten und Verbraucherschutz daraus lernen können.

Worum geht es?

Onlinehändler nutzen oft künstliche Verknappung, um Aufmerksamkeit und kurzfristige Kaufimpulse auszulösen. Hinweise wie „Nur 50 Stück verfügbar“ sollen Dringlichkeit erzeugen. Eine aktuelle Publikation zeigt jedoch, dass diese Taktik nicht immer funktioniert (Jin et al. 2025): Konsumentinnen und Konsumenten verfügen oft über Erfahrung mit digitalen Verkaufsstrategien und reagieren reaktant, wenn eine ausgewiesene Menge als unplausibel niedrig erscheint.

In so einem Falle entsteht schnell der Eindruck einer gezielten Manipulation. In der Studie wird deshalb untersucht, wie stark solche Mengenangaben das Vertrauen in einen Händler beeinflussen und ab wann sie sich sogar negativ auf Kaufentscheidungen auswirken. Im Mittelpunkt steht die Frage, warum Verknappung manchmal Verkaufsdruck erzeugt und manchmal Skepsis auslöst. Der Fokus liegt dabei nicht auf dem Produkt, sondern auf der wahrgenommenen Glaubwürdigkeit des Händlers.

Was findet die Studie heraus?

Die zentrale Erkenntnis ist eindeutig: Verknappung wirkt sich nur dann positiv aus, wenn sie dem Erwartungsbild der Konsumenten entspricht. Wenn die verfügbaren Mengen deutlich geringer ausfallen als erwartet, entsteht der Eindruck eines künstlichen Verkaufsdrucks. In der Folge wird der Shop als weniger vertrauenswürdig wahrgenommen und die Kaufabsicht sinkt. Die Studien zeigen zudem, dass dieser Effekt in zwei Schritten abläuft: Erstens führt eine unplausibel kleine Menge zu einem starken Gefühl von Knappheit. Zweitens wird diese Knappheit als bewusst herbeigeführt interpretiert. Die Folge ist Misstrauen. In realen Onlineverkäufen, die das Autorenteam aufwendig untersucht, zeigt sich derselbe Trend: Produkte mit sehr geringen Mengen verkaufen sich langsamer. Die Studie identifiziert jedoch auch Lösungsansätze. So kann eine klare Verfügbarkeitsgarantie („Nachlieferung binnen 24 Stunden“) oder eine nachvollziehbare Begründung für die geringe Menge (in dem der Grund für die knappe Menge durch externe Einflüsse erklärt wird) das Misstrauen reduzieren.

Was bedeutet diese Studie für uns als Konsumentinnen und Konsumenten?

Die Ergebnisse zeigen, wie aktiv wir Verkaufsreize bewerten: Viele Menschen reagieren nicht automatisch positiv auf knappheitsbasierte Botschaften. Stattdessen prüfen wir, ob eine Mengenangabe plausibel ist. Wenn sie unrealistisch erscheint, werden wir skeptisch. Dieser Mechanismus kann vor überstürzten Käufen schützen. Gleichzeitig wird deutlich, dass transparente Kommunikation für den Handel entscheidend ist. Wir reagieren positiv, wenn der Shop erklärt, warum wenig Ware verfügbar ist oder wie er sicherstellt, dass niemand leer ausgeht. Wer online einkauft, profitiert davon, Knappheitssignale nicht als objektive Information zu interpretieren, sondern als Bestandteil einer Verkaufsstrategie, die sowohl echte Knappheit als auch künstliche Anreize beinhalten kann.

Was kann der Verbraucherschutz lernen?

Für den Verbraucherschutz ist die Studie ein Hinweis auf einen blinden Fleck digitaler Verkaufsstrategien. Künstliche Verknappung ist nicht nur Marketing, sondern kann unser Vertrauen in den Shop langfristig schädigen und Fehlentscheidungen auslösen. Die Ergebnisse zeigen, dass Aufklärung über Verkaufstaktiken und digitale Knappheit als potenzielles Risiko für das Verbraucherwohl wirksam ist: Aufgeklärte Konsumentinnen und Konsumenten treffen bessere Entscheidungen – oder lassen sich zumindest nicht so einfach manipulieren. Besonders wichtig ist die Sensibilisierung für unplausible Mengenangaben. Gleichzeitig zeigt die Studie, dass Transparenz ein wirksamer Schutzmechanismus ist. Händler, die Knappheit nachvollziehbar erklären oder Verfügbarkeitsgarantien geben, reduzieren das Risiko von Fehlinterpretationen. Verbraucherpolitik kann solche Praktiken durch Empfehlungen oder Standards stärken und so dazu beitragen, faire und vertrauenswürdige digitale Märkte zu fördern..

 

 

Die Publikation:

Jin, Y., Xie, G. X., & Zhang, J. (2025). When product scarcity backfires (or doesn’t): Limited quantities affect perceived retailer sincerity in online promotions. Journal of Retailing, https://doi.org/10.1016/j.jretai.2025.11.001

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Zeitlimit überschritten. Bitte vervollständigen Sie das Captcha noch einmal.