Eine U-Bahn, eine schwangere Frau, ein stiller Batman… und plötzlich stehen doppelt so viele Menschen auf und bieten eine Sitzplatz an. War es Batmans positive Aura? Eine Studie untersucht, wie kleine Irritationen soziale Wirkung entfalten. Was das für Weihnachten, Konsum und Achtsamkeit bedeutet.
Worum geht es?
Stellen Sie sich vor: Es ist Heiligabend. Die Kerzen brennen, der Baum leuchtet und irgendwo ertönt „Stille Nacht“. Die Familie sitzt zusammen, Omas Kartoffelsalat steht auf dem Tisch, es duftet nach Braten und Glühwein. Die Kinder basteln gerade die letzten Namensschilder für die Geschenke. Alles ist wie immer: vertraut, ritualisiert, ein bisschen vorhersehbar. Und dann steht plötzlich Batman im Wohnzimmer.
Ein echter Mensch im Superheldenkostüm. Mit Cape, Maske und ernstem Gesicht. Niemand weiß, wie er hereingekommen ist. Die Gespräche verstummen. Oma hält inne. Die Kinder reißen die Augen auf. Während alle noch überlegen, ob das ein Scherz ist, geschieht etwas Unerwartetes: Die Stimmung verändert sich. Alle sind hellwach.
Was macht ein solcher Moment mit uns? Diese Frage haben sich Forschende aus Mailand gestellt. In einer aktuellen Studie zeigen sie, dass unerwartete Ereignisse, wie ein plötzlich auftauchender Batman, Menschen tatsächlich sozialer, hilfsbereiter und aufmerksamer machen können. Gerade in Zeiten, in denen wir wie auf Schienen funktionieren, können solche Störungen unser Mitgefühl wecken.
Was findet die Studie heraus?
Die Untersuchung wurde nicht im Wohnzimmer, sondern in der Mailänder U-Bahn durchgeführt, die Idee dahinter ist jedoch ähnlich: Zwei Forscherinnen stiegen als schwangere Frau bzw. Beobachterin in einen überfüllten Zug. In der einen Hälfte der Fälle war alles „normal“. In dieser Bedingung boten etwa ein Drittel der Fahrgäste der schwangeren Frau einen Platz an. In der anderen Hälfte betrat zusätzlich ein Mann im Batman-Kostüm den Waggon. Plötzlich stieg die Hilfsbereitschaft auf 67 %. Fast doppelt so viele Menschen standen auf, um der schwangeren Frau einen Sitzplatz zu geben.
Und das Interessante daran ist: Fast die Hälfte der Helfenden gab an, Batman gar nicht bewusst bemerkt zu haben. Das legt nahe, dass es nicht der Held war, der sie zum Helfen brachte, sondern der Bruch im Alltagsmuster. Das Unerwartete weckte ihre Aufmerksamkeit und lenkte den Blick vom Smartphone weg hin zur Umwelt. Die Forscher sprechen in diesem Zusammenhang von einem Moment der „Achtsamkeit durch Störung“. Eine Erkenntnis, die uns auch im festlichsten Weihnachtsmoment zu denken geben kann.
Was bedeutet diese Studie für uns als Konsumenten?
Auch an Weihnachten sind wir Konsument:innen, vielleicht sogar mehr als an vielen anderen Tagen. Wir kaufen Geschenke, scrollen durch Rabattaktionen. Alles ist durchgetaktet, vertraut und ritualisiert. Die Studie erinnert uns daran, dass genau diese Routine oft unser Mitgefühl überdeckt. Und dass es manchmal nur einen kleinen (inneren oder äußeren) Bruch braucht, um uns aufzurütteln.
Vielleicht ist es der Moment, in dem ein Kind eine unerwartete Frage stellt. Oder wenn jemand am Tisch ehrlich wird. Vielleicht ist es die Erkenntnis, dass wir gerade mehr auf die Geschenke als auf die Menschen achten. Diese kleinen Störungen können uns helfen, den Blick zu heben und die anderen wieder wirklich zu sehen. Für uns als Konsument:innen ist das eine stille Einladung: Weniger durchziehen, mehr durchatmen. Weniger „läuft wie jedes Jahr“, mehr echte Präsenz. Und ja, vielleicht braucht es dazu auch mal einen Batman unterm Baum.
Was kann der Verbraucherschutz lernen?
Verbraucherschutz lebt oft von klaren Botschaften, Warnhinweisen und Fakten. Doch diese Studie lädt zu einem Perspektivwechsel ein, gerade zu Weihnachten. Sie zeigt, dass es nicht immer der moralische Appell sein muss, der Verhalten verändert. Manchmal genügt ein Moment des Staunens. Ein kreativer Impuls. Ein irritierendes Detail.
Warum nicht bewusst „positive Störungen“ schaffen? Ein Flashmob im Kaufhaus, ein Weihnachtswichtel in der Straßenbahn, ein ungewöhnliches Kunstobjekt im Einkaufszentrum. Sie alle könnten helfen, Menschen aus ihrer Routine zu holen, nicht um sie zu belehren, sondern um sie zu berühren. Der Verbraucherschutz kann so nicht nur informieren, sondern inspirieren. Und mit dazu beitragen, dass Weihnachten nicht nur ein Fest des Konsums bleibt, sondern zu einem Fest der Menschlichkeit wird.
Die Publikation:
Pagnini, F., Grosso, F., Cavalera, C. et al. (2025). Unexpected events and prosocial behavior: the Batman effect. npj Mental Health Res 4, 57 (2025). https://doi.org/10.1038/s44184-025-00171-5
(Bildquelle: gemini.google.com)
